August 2023

"Wir sind zum Kompetenzteam zusammengewachsen"
Im Gespräch mit Projektpartner Sebastian LückSebastian ist von Herzen Unternehmer, u.a. Mitgründer und Mitinhaber der Brotklappe in Weimar. Von Anfang an, d.h. seit 2020 ist er mit seiner Bio-Handwerksbäckerei einer von drei Projektpartnern bei "Bio-Milch ... kann mehr!".
Neben seinen Tätigkeiten als Bäckermeister, Geschäftsführer, Organisator, Initiator und ehrenamtlicher Bodenschützer arbeitet er in unserem EU-geförderten Projekt in vielen Bereichen mit: Entwicklung der Testkäserei, Planung der Bürgermolkerei, Planung von Marketing und Vertrieb u.v.m.

Sebastian, was haben wir aus deiner Sicht bisher geschafft?
In erster Linie haben wir es geschafft, unser Projektteam zu einer gut abgestimmten Kompetenzgruppe auszubauen. Denn alles hängt davon ab, wie wir miteinander funktionieren. Da braucht es Willigkeit und Verständnis. Denn wir arbeiten freiwillig zusammen. Diese Entwicklung hat Zeit gebraucht.
Außerdem wird unser Team ständig größer, z.B. durch Fachplaner und Architekten, die wir uns an die Seite holen. Und es verändert sich, z.B. durch Familienplanung, Reise- und Bildungspläne bei unseren jungen Mitwirkenden. Auch diese Herausforderungen wollen gemeistert werden. Wir arbeiten nahezu täglich daran, unsere Vision umzusetzen. Dabei denken wir jeden Tag an verschiedenste Aspekte: Energieplanung, Logistik, Tierwohl, Gemeinwohl, Zukunftsfähigkeit, Mitbestimmung, Transparenz und so weiter. Gleichzeitig haben wir viele fachliche Erfahrungen gesammelt...
Richtig. Zum Beispiel im Bereich Bau. Denn wir müssen viele Fragen beantworten: Wie bauen wir am besten eine Bürgermolkerei? Wo? Wie groß? Mit welchem Material? Mit wem? usw. Gelernt haben wir vor allem über Ausprobieren: wir haben unterschiedlichste Standorte beplant - kleine, entferntere, größere. Dabei haben wir jeweils alle Aspekte beleuchtet wie Investitionshöhe, Lärmbelastung, Arbeitswege, um nur einige zu nennen. Wir haben auch viel recherchiert und uns vernetzt: Mit Landesämtern, städtischen Ämtern, dem Verband für handwerkliche Milchverarbeitung (VHM). Und wir haben viele Experten befragt: Energiestrategen und Genossenschaftsverbände zum Beispiel.
Neben Plänen und Konzepten gibt es auch praktische Ergebnisse...
Genau. Wir haben eine kleine Testkäserei eingerichtet, die Ende dieses Jahres endlich die Zulassung für die In-Verkehr-Bringung unserer ersten Produkte erhalten soll. Diese Produkte aus der Biomilch vom Stall in Schoppendorf unseres Projektpartners Landgut Weimar Bio GmbH werden dann über die Brotklappe und weitere Geschäfte in Weimar und Umgebung erhältlich sein.
Eine Vergrößerung dieser Testkäserei hatten wir für kommendes Jahr geplant und dafür eine stillgelegte Fleischerei in der Schwanseestraße beplant. Konstruktive Gespräche mit der Vermieterin fanden statt. Leider erwiesen sich die erforderlichen Umbau-Aufwendungen für beide Seiten als zu hoch. Zuvor hatten wir bereits am Stadtrand von Weimar eine mehrere Hektar große Fläche für einen Neubau beplant. Ein Architekturbüro hat uns dafür eine Machbarkeitsstudie erstellt. Vorgespräche mit den Stadtplanern stimmten uns zuversichtlich. Leider sind die notwendigen Vorbereitungsarbeiten sehr umfangreich und kostenintensiv mit noch ungewissem Ausgang.
Parallel hatten wir noch die Möglichkeit einer Containerlösung beplant und waren dafür sogar auf Exkursion in Baden-Württemberg. Dadurch erhielten wir einen neuen Blick z.B. auf Reiferäume, und wurden sehr inspiriert. Wir konnten verschiedene Arbeitsbedingungen kennenlernen und Lösungsfindungen nachvollziehen für Herausforderungen, die wir glücklicherweise nicht alle haben.
Eine spezielle Herausforderung bei der Milchverarbeitung ist die Hygiene...
So ist es. An dieser Stelle fehlte uns zunächst die Vorstellung, was auf uns zukommt. Strengste Richtlinien gelten bei der Milchverarbeitung, viel stärker als in der Bäckerei. Viel Energie und Zeit sind deshalb in die Unterlagen-Erstellung für unsere Testkäserei und unsere Produktzulassung geflossen und fließen immer noch. Gemeinsam mit unserer Molkereifachberaterin Sibylle haben wir ein Qualitätssicherungshandbuch erstellt. Es gibt uns jetzt die Möglichkeit, selbstständig und mit hohem Qualitätsbewusstsein, auch im Bezug auf die Hygiene, zu arbeiten, womit sich die Kompetenz im Team weiter vergrößert.
In der Öffentlichkeit ist unser Projekt bisher kaum bekannt. Warum?
Wir hatten bereits zwei Veranstaltungen organisiert: 2022 war es eine Fachtagung in Holzdorf und in diesem Frühjahr ein großartiger Tag der offenen Stalltür in Schoppendorf mit vielen Besuchern. Natürlich haben wir Ideen für mehr Aktionen. Am liebsten wollen wir unsere Produkte verkosten lassen. Doch dafür sind die Voraussetzungen im Moment noch nicht gegeben. Sobald es konkretere Entwicklungen gibt, werden wir uns auch mehr zeigen. Es ist in unserem ureigenen Interesse, BürgerInnen und VerbraucherInnen einzubinden. Schließlich wollen wir eine genossenschaftlich organisierte Bürgermolkerei auf die Beine stellen. Für mehr Öffentlichkeit müssen Dinge allerdings spruchreif sein.
Schon jetzt bieten wir allen, die tiefergehendes Interesse haben, das Gespräch an und beantworten gern alle Fragen, soweit das schon möglich ist. Ich kann mir dafür eine Gesprächsrunde in der Brotklappe vorstellen, vielleicht im Herbst.
Was steht zurzeit ganz oben auf der To-do-Liste?
Erst vor wenigen Wochen konnten wir mit dem Projekt Alte Feuerwache in der Erfurter Straße in Weimar Schnittmengen zur Anmietung einer Gewerbefläche prüfen. Die Flächenanforderungen, der aktuelle Bau- und Planungsstand und auch die baurechtlichen Voraussetzungen stimmen uns vorsichtig optimistisch, dass das Objekt für uns geeignet sein könnte. Wir werden in den nächsten Monaten versuchen, einen Mietvertrag vorzubereiten und die baurechtlichen Voraussetzungen grundsätzlich zu überprüfen. Wenn diese auf dem Weg sind, können wir unsere Produktions- und Finanzierungsplanung ebenfalls auf den Weg bringen.
Außerdem passen unsere Sichtweisen gut zueinander. Wir haben ähnliche Wichtigkeiten. Das macht die Alte Feuerwache für uns zu einem sehr passenden Standort. Eine Eröffnung unserer Molkerei könnte damit in der zweiten Jahreshälfte 2025 möglich werden.
Vielen Dank, Sebastian. 

Hier geht's zum Quartiersprojekt Alte Feuerwache Weimar.

Von schwitzendem Käse und den richtigen Fliesen
Unsere Exkursion nach Baden-Württemberg

Vom Lehenhof (Foto oben) nahmen wir zahlreiche Anregungen mit.
Das Foto unten links zeigt Weichkäse vom Biohof Schelkle und unten rechts ist ein Reifelager der Hofgemeinschaft Heggelbach zu sehen.

Echte Handwerkskunst und besondere Hingabe von KäserInnen zu Rohstoff, Produkt und Arbeitsweise durften wir im Juli hautnah erleben. In Baden-Württemberg besuchten wir fünf Betriebe, darunter auch Produktionsstätten in Containerbauweise.
 Eine solche war Kuglers Milchtankstelle in Mengen-Rosna, wo uns ein zufriedener Klaus Kugler berichtete, dass er mittels zweier Container in kurzer Zeit zu seiner eigenen Milchverarbeitung kam, wo er Trinkmilch und Joghurt in Sorten produziert.
 Nach einem Zwischenstopp bei einer Metzgerei aus gleich acht Containern, in der man glatt vergessen konnte, dass man in einem solchen besonderen Bau steht, ging es weiter zum Biohof Schelkle in Schupfenberg/Uttenweiler. Hier bot uns Annette Schelkle einen Einblick in ihre Hofkäserei. Dort verarbeitet sie immerhin die komplette Milch (160.000 Liter im Jahr) der 30 Milchkühe und 60 Milchziegen vor allem zu Weich- und Schnittkäse. Für zwei Monate im Winter wird es ein wenig ruhiger. In dieser Zeit melken Schelkles nicht. So haben die Vierbeiner „Urlaub“ und die Menschen etwas weniger zu tun. Die Familie musste vor einigen Jahren aus dem Stuttgarter Raum mit dem elterlichen Betrieb wegen dem Neubau der ICE-Trasse umsiedeln. So entstand ein neu errichteter Hof mit Käserei, die mit sehr viel Umsicht eingerichtet wurde. Besonders wichtig war Annette Schelkle dabei die Förderung der Käsereiflora: So wurden z.B. an den Wänden offenporige Natursteinfliesen verwendet. „Scharfe“ Reinigungsmittel, die nützliche Käsereibakterien schädigen könnten, kommen nur im Ausnahmefall zum Einsatz. Weich- und Schnittkäse reifen in zwei Reiferäumen direkt neben dem Produktionsraum, der durch drei Fenster einen großartigen Ausblick über die Landschaft eröffnet.
 Solch ein Ausblick genießt auch das Personal in der Käserei des Lehenhofes. Diese besuchten wir am zweiten Tag unserer Exkursion. Dort führte uns Ellen Baier durch die Käserei der Camphill Dorfgemeinschaft (eine Einrichtung der Behindertenhilfe auf anthroposophischer Grundlage). Fünf Mitarbeiter verarbeiten hier einen Teil der Kuhmilch aus dem ebenfalls zur Gemeinschaft gehörenden Stall mit 55 Braunviehkühen. Wir fanden eine gut durchdachte Produktion und zahlreiche Anregungen für unser eigenes Bauprojekt. Beeindruckt waren wir von den Schatzkammern im Untergeschoß: in den Brettregalen der drei Reiferäume lagerten viele wunderschöne Laibe verschiedener Käsesorten. Die Luft schwängerte ein leicht käsiger, aber auch ammoniakhaltiger Geruch - ein Zeichen dafür, dass die Käsereifung voranschreitet, denn beim Proteinabbau entsteht unweigerlich Ammoniak.
 Da tut Frischluft not und dafür hatte die letzte Käserei auf unserer Reise-Route ein tolles Konzept: hier wurden beim Erweiterungsanbau in den Hang 80 Meter Frischluftzuleitung verlegt. So schaffen es Stephan und Claudia Ryffel, die Zuluft für die Reiferäume ihrer Käserei in der Hofgemeinschaft Heggelbach ganz natürlich auf ideale Reiferaumtemperatur abzukühlen. Diese Käserei setzte das i-Tüpfelchen auf unsere kleine Bildungsreise. Erst 2020 neu eingeweiht hat sich hier der Käser mit seinem Team viele Gedanken zur Planung gemacht, als er den Erweiterungsbau an und über der bestehenden Hofkäserei plante. So gibt es nun auch eine „Sauna“ für den "Heggelbacher Felsbrocken", der stattliche 15kg schwer ist und mindestens 15 Monate reift. Im Schwitzraum bleiben die Laibe dieser Käsesorte bis zu 10 Tage bei über 20°C liegen. Das ist nicht die einzige Besonderheit für diesen Käse: dem war es nämlich im neuen Reiferaum zu feucht und so darf er weiter im alten 30 Jahre alten Käsekeller reifen, wo es mit 85 Prozent relativer Luftfeuchte trockener ist. Daneben werden aus insgesamt 290.000 Litern im Jahr vor allem leckerste Weich- und Schnittkäse hergestellt, alle mit ihren besonderen Anforderungen an die Reifebedingungen und individuelle Pflege.

"Brot & Käse" - das war unsere kulinarische Lesung

Am 24. Juli hatten wir zu einer weiteren Veranstaltung eingeladen, diesmal in die Brotklappe am Frauenplan. Unsere Molkereifachberaterin Sibylle Roth-Marwedel aus Lübeck gestaltete gemeinsam mit uns eine kulinarische Lesung mit dem Titel "Brot & Käse". Sie las dabei aus ihrem aktuellen Buch "Käse machen", während unsere Gäste verschiedene Käse-Spezialitäten aus unserer Region und darauf abgestimmte Brotsorten des Hauses verkosteten. Zu jedem Gang gab es umfangreiche Informationen über die gereichten Sorten. Und natürlich war nach jedem Geschmackserlebnis das Feedback der Verkostenden gefragt. Einen Tipp von Sibylle verraten wir an dieser Stelle: "Weintrauben neutralisieren den Geschmack des Käses. Deshalb sind sie bei Verkostungen unentbehrlich."